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Killer 7 Nachgedanke

Aus meiner Antwort auf Agitpops Review:

Das schöne an Killer 7 ist, dass es dem Spieler ermöglicht, darüber nachzudenken. Selbst wenn das zu nichts führt, ist das Entwirren der vielen Spiel- und Storyelemente an sich schon eine interessante Sache. Der wichtigste Teil des Spiels findet in deinem Kopf und nicht auf dem Bildschirm statt. Welches Spiel kann das schon von sich behaupten? Björn kann dem Spiel nicht viel abgewinnen. Kann ich verstehen. Wie ich in meinem Review schon geschrieben habe, bedarf es dazu der richtigen Chemie zwischen Spiel und Spieler. Nach dem Absenden meines Kommentars überkam mich das Bedürfnis, diese Sichtweise noch genauer zu erläutern und dies hier zu tun:

Ich habe während des letzten halben Jahres viel gelesen, geredet und nachgedacht darüber, wie Gehirn und Wahrnehmung funktionieren und was das mit Arbeit, Spaß und Videospielen zu tun hat. Wichtigste Beobachtung dabei war, dass das Gehirn eine gewaltige Maschine zur Erkennung und Verarbeitung von Mustern und Symbolen ist. Das führt dazu, dass unabhängig vom Inhalt dessen was wir wahrnehmen, allein der Vorgang der Wahrnehmung interessanter wird, wenn das Gehirn dabei mehr zu tun bekommt.

Genau das ist der Fall beim Spielen von Killer 7. Dem Spieler wird eine Reihe scheinbar zusammenhangloser bis widersprüchlicher, für sich jeweils noch mit einem ganzen Batzen an Bedeutung beladener Symbole vorgesetzt. Der Spieler, oder besser sein Gehirn, kann nicht anders als diese Puzzleteile irgendwie zusammenzusetzen. Jedes neue Stückchen führt mitunter dazu, die gesamte bisher geleistete Arbeit verwerfen und einen neuen Rahmen finden zu müssen in den die Teile passen.

Dass Videospiele über Inhalte verfügen, die das Gehirn zu einem solchen Dauerlauf veranlassen, ist höchst selten. Neben Killer 7 fallen mir höchstens Ico oder Shadow of the Colossus ein, leider wieder nur die üblichen Verdächtigen wenn’s um anspruchsvolle Spiele geht.

Scheinbar gab es Verständnisprobleme:

Die oben gemachte Behauptung, jedes Gehirn würde mit Freude die Puzzles zusammensetzen, die die Storyfragmente und Kulturreferenzen in Killer 7 gilt selbstverständlich nicht ohne eine Reihe von Voraussetzungen. Seien wir also päpstlich:

Mit “Zusammenpuzzlen” meine ich einen späten Abschnitt in der kognitiven Iterationen. Die Neuronen des Rezipienten sollten die Sinneseindrücke die vom betrachteten Medium stammen, bereits brav zu kleinen abstrakten Symbolpäckchen geschnürt haben. Dieser Schritt findet bei Killer 7 bereits bei einer Menge Menschen nicht statt. Notwendig dafür ist nämlich das Verstehen der einzelnen Fragmente an sich. Das kann allerdings nur von Personen mit einer gewissen Erfahrung und Background geleistet werden, der in diesem Falle eine Reihe Videospiele, japanische Popkultur und ein bißchen Weltgeschichte voraussetzt. Das hatte ich in meinem Review schon angesprochen, zur Verdeutlichung hätte ich es vielleicht wiederholen sollen. Der nun folgende Vorgang ist der, den ich für stimulierend halte. Wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, findet er stets in ähnlicher Form statt, ungeachtet des Inhalts des Beobachteten. Es kann sich dabei um eine Geschichte, ein Musikstück, Nachrichtenfragmente, Filme oder eben auch ein Videospiel handeln. Die vorverdauten und vor-abstrahierten Fragmente die das Gehirn in diesem Stadium erhält, wollen von ihm zu einem harmonischen Bild zusammengefügt, zu einem größeren ganzen weiter zusammenabstrahiert werden.

Dass dieser Vorgang nicht bei jedem Spieler von Killer 7 stattfindet ist selbstverständlich, schließlich erfüllt nicht jeder die Voraussetzungen, oder jemand fühlt sich von anderen Elementen so abgestoßen, dass er sich dem Spiel völlig verschließt. Nochmal: Dieser Vorgang findet nicht immer und nicht zwangsläufig statt! Dass er aber stattfinden kann, dass das Spiel solchen Erschließungsprozessen etwas entgegenzusetzen hat und nicht wie beispielsweise Tomb Raider Legend von einer halben Gehirnzelle in 10 Sekunden durchschaut werden kann, das ist es was ich Killer 7 hoch anrechne.