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Review: Bionic Commando Rearmed

Der Rest der Blogosphäre scheint noch die GC zu verdauen, während uns derlei Events mittlerweile so sehr langweilen, dass allenfalls Empfehlungen aus zweiter oder dritter Hand uns dazu veranlassen mal einen Trailer anzuschauen. Diese Strategie spart jede Menge Zeit die ich nicht aufwenden muss um in dem Ausstoß der Publisher die Spreu vom Weizen zu trennen.

Wenn mir also jemand steckt “Holy Shit, Bionic Commando Rearmed ist draussen, check it out”, dann tu ich das, zumal mich der Trailer zu Bionic Commando (die Version ohne “Rearmed”, aber mit mehr als 8 Bit) schon sehr begeistert hat. Ich check die Demo also aus und überlege ob ich die 800 MSP die nach dem Kauf von Braid noch übrig sind dafür ausgeben soll. Einereits war die Demo zwar sehr kurz aber dafür extrem vielversprechend, andererseits wollen GTA IV, Ninja Gaiden 2, Lost Planet, Rainbow Six Vegas und Bangai-O Spirits auch noch durchgespielt werden.

Nun ja, rationale Kaufentscheidungen waren noch nie meine Stärke, aber das gerade der Ohrwurm der Hintergrundmusik aus dem ersten Level mich veranlasste mitten in der Nacht um 1:30 noch Geld auszugeben hätt ich nie gedacht. Dabei ist dieser Ohrwurm, ein Remix der originalen NES-Musik, exemplarisch dafür was Bionic Commando Rearmed so genial macht.

Grin haben es geschafft, die perfekte Balance zwischen Treue zum Original und einer Modernisierung zu treffen, sowohl in der Präsentation als auch im Gameplay. Elemente die im Original gut funktioniert haben wurden beibehalten und verbessert, während viele der Nickeligkeiten die Bionic Commando wie andere 8bit Titel plagten ihren Hut nehmen mussten. Captain Spencer bekam ein paar neue Waffen spendiert, die Bosse wurden ersetzt, vor allem aber mussten die Instant-KOs einem Energiebalken weichen. All diese Änderungen sind vollkommen legitim, denn was Bionic Commando auszeichnet ist nicht der Schwierigkeitsgrad, nicht die Waffen, sondern die Schwing-Mechanik des Bionischen Arms. Ein Kollege reagierte auf meine Empfehlung des Spiels mit dem Kommentar das “die in der Maniac” sich darüber aufgeregt hätten, dass man in Bionic Commando nicht springen könnte. Angesichts solcher Blödheit bleibt mir die Spucke weg. Wer wundert sich bei so einem Unfug noch darüber, dass niemand mehr Printmagazine liest? Fehlt noch dass die sich demnächst beschweren dass man in Sim City nicht Motorrad fahren, bei God of War nicht häkeln oder in Doom mit den Monstern nicht diskutieren kann.

Gerade das Herumschwingen verleiht dem Spiel ein einzigartiges Gefühl von, nun ja, Schwung, eine Dynamik ähnlich wie bei Super Mario. Der Arm bietet dabei genau die Qualitäten die jedem großen Spiel zugrunde liegt: Einfach zu erlernen, schwer zu meistern. Die grundlegenden Bewegungen die sich durchführen lassen sind simpel, überschaubar und ausreichend die Kampagnenlevel zu bewältigen.

Im ersten Durchgang lässt sich der Storymodus in etwa zwei Stunden, danach vielleicht in einer halben Stunde durchspielen. Die Story ist dem Original entsprechend käsig (Es geht mal wieder darum Hitler zu töten), allerdings haben Grin auch hieraus das Beste gemacht und der Präsentation hervorragend gezeichnete Standbildern und witzige Dialoge verpasst, die das alte Bionic Commando und seine Zeitgenossen gehörig auf die Schippe nehmen ohne dabei respektlos zu werden.

Während dieser ersten Schritte wird man bereits anfangen raffiniertere Kunststückchen zu vollführen, wird sich dabei ertappen nicht einfach nur von A nach B zu laufen, sondern zu versuchen, dabei den Boden nicht zu berühren oder die Strecke möglichst schnell zurückzulegen. Mit Timing und der richtigen Kombination von Bewegungen lässt sich aus dem Arm viel herausholen. Die Kampagnenlevels bieten dafür bereits einige Gelegenheit, fordern aber deine Fähigkeiten aber nicht voll heraus. Aus diesem Grund haben Grin Bionic Commando Rearmed einen exzellenten Challenge-Modus verpasst der das Spiel auf seine Kernmechanik reduziert: Es gibt nur dich, deinen Arm, Start und Ziel und dazwischen einen Hindernisparcours der möglichst schnell passiert werden will. Keine Waffen, keine Gegner, nicht einmal Texturen.

Mit den 62 Challenge-Rooms ist der ehrgeizige Spieler wesentlich länger beschäftigt als mit der Kampagne, die Challenges lassen sich also durchaus als eigentlicher Kern des Spiels bezeichnen. Hier konzentriert sich Bionic Commando Rearmed voll auf das was es einzigartig macht und dieses Selbstbewusstsein rechne ich dem Spiel hoch an.

In einer Zeit in der es zur Regel gehört den Spieler mit allerhand Blödsinn zu beschäftigen, abzulenken oder hinzuhalten, aus Angst (oder eben gerade im Wissen) im Kern des Spiels nichts interessantes zu bieten, erfordert es schon Mut diesen bequemen Ausweg nicht zu gehen. Den Luxus ihn nicht einmal nötig zu haben können sich nur Games leisten deren Entwickler ihre Hausaufgaben gerne machen. Bei diesem Remake im Fahrwasser unzähliger anderer Remakes das in der Vorstellung einiger Capcom Executives ursprünglich wohl vor allem der Promotion von Bionic Commando dienen sollte, zeigt eine solche Einstellung das hier Leute am Werk waren die das Original geliebt haben.

Diese Liebe kommt, wie erwähnt, auch in der Präsentation zum Vorschein. Kein 2D-Spiel hat je besser ausgesehen, Grin ziehen alle Register um den Abschnitten mit stimmungsvoller Beleuchtung und Shadereffekten eine starke Atmosphäre zu verpassen. Der Soundtrack verdient an dieser Stelle nochmals ein dickes Lob. Die Art und Weise in der Viklund die alten 8bit Melodien mit Synthesizern und rhythmischen Beats unterlegt hat schafft es wie der Rest des Spiels, extrem retro und gleichzeitig hochaktuell zu klingen. Perfekt und ohne hörbare Mühe leisten die Tracks ihren Beitrag zu dem flotten Spielgefühl.

Genau dieses Spielgefühl hat mich zwei Wochen lang davon abgehalten irgend eines meiner anderen Games auch nur anzusehen und am Ende nur einen Wunsch offengelassen:

Mehr Spiele wie Bionic Commando Rearmed.

Spiele die nicht vollgestopft sind mit unnützem Füllmaterial.

Spiele die wissen was sie wollen und sich damit die größte Mühe geben.

Spiele bei denen man die ganze Leidenschaft die ihre Schöpfer investiert haben in jedem Pixel spürt.